Mittwoch, 29. September 2010

Morgens halb fuenf in Spanien

...mit einem Gratisinternet und dem dringenden Wunsch zu schlafen. Geht aber leider nicht. Stefan hat gestern Abend wie von Gotteshand geleitet,  in der gleichen Albuerge eingecheckt wie ich, und hat direkt das Bett ueber mir bekommen. Obwohl  er grade gar nicht so viel schnarcht, liege ich trotzdem in den Zeiten, in denen er es nicht tut, wach, und warte darauf, dass es wieder losgeht. Unglaublich bescheuert wie ich finde. Dabei bin ich echt ganz schoen muede. Aber gut, vielleicht gibt es auch andere Gruende fuers wachliegen. Auch ganz unphilosophisch. So kann ich Euch noch eine kleine Anekdote von gestern erzaehlen:

Nachdem ich Stefan gesten Abend in meinem Zimmer fand, gingen wir um die Ecke zu einem kleinen Fluesschen, um einen Happen zu essen. Ich war gesaettigt und Stefan vergnuegte sich damit, erst eine superscharfe eingelegte Peperoni zu essen, daraufhin fast in Ohnmacht zu fallen, um sich direkt danach die naechste Peperoni in den Mund zu stecken und ueberraschenderweise wieder lustige Geraeusche von sich zu geben wie hmmmmpfffffuuuuuhooooooooorrrrggghhhh, und einen Kopf zu bekommen, den man normalerweise nur von Tom und Jerry kennt. Sowas in rot mit Dampf aus den Ohren.

Waehrend er sich also mit Maennerkram beschaeftigte, pirschte sich ein Hund von hinten an unsere Bank und klaute Stefan sein ganzes Baguette. Dieser war nun aufgrund seiner Peperonispielereien etwas handlungsunfaehig und musste dabei  tatenlos zusehen. Ich sass sowieso nur noch halb auf der Bank und rang nach Fassung und Luft. Hilfe war da von mir nicht zu erwarten.

Nun beschloss Stefan, das Brot nicht kampflos aufzugeben und lief los, um den Hund mit einer Chorizo, die er entbehren konnte, abzulenken. Was soll ich sagen, der Hund wurde ziemlich boese und frass schlussendlich sowohl das ganze Brot, als auch die Wurst, um die es ja eigentlich gar nicht ging.

Wirklich, ich hab mich schon schlechter amuesiert. Und jetzt gehe ich zurueck in mein kuehles Mehrbettzimmer, und versuche noch ein Stuendchen zu ueberbruecken.

Gaehn.

Dienstag, 28. September 2010

Wenns wehtut noch fuenf Kilometer

Zunaechst einmal fuer alle, die sich, ebenso wie ich, um Stefan sorgten: Er ist dann gestern doch noch gegen 18.00 Uhr wohlbehalten und etwas besser gestimmt als sein Zustand es normalerweise zugelassen haette, eingetrudelt. Das ist wohl das Adrenalin gewesen, auf welches ich heute einmal wieder vergeblich wartete.

Wenn jemand noch glaubt, dass der Jakobsweg  ueberschwemmt ist von deutschen Kerkelingpilgern, der irrt. Deutsche traf ich zwar, noch sind sie allerdings deutlich in der Minderheit. Gestern Abend assen wir mit zwei Amerikanern, von denen es hier eine Menge gibt. Ganze Gruppenreisen finden hier statt. Die beiden von gestern, nennen wir sie Jack und Jennifer (weil sie naemlich so heissen), sind um die vierzig und haben in Florida alles verkauft was sie besassen und reisen nun nur noch. Dann waren da Bogdil und Berit aus Norwegen, zwei Frauen um die sechzig bis fuenfundsechzig, recht witzig und genauso trinkfest, wie man es von einem Norweger erwartet. Mit den beiden und einer Pam aus Amerika und einer Sue aus Australien zimmerte ich mir dann gestern noch oertlichen Likoer in die Birne.

Einmal aus Erleichterung "weil" Stefan wieder auftauchte, und zum zweiten aus Notwehr, denn natuerlich bot ich ihm das zweite Bett meines Zimmers im "Casa Sabina" an und nahm damit in Kauf, genau das zu bekommen, was ich mit dieser Extrawurst vermeiden wollte: mit Schnarchern in einem Zimmer zu liegen. Aber was tut man nicht alles fuer Freunde und aus Freude.

Nun gut, Stefan hat tatsaechlich wenig Schlafgeraeusche fabriziert diese Nacht und ich war sowieso leicht angetrunken, Thor und Freya sei Dank.

So, weiter, was laeuft hier noch rum....Canada, ziemlich viel Canada. Italien, Irland, Korea, Japan und natuerlich Spanier. Auch Franzosen. Und Schweden. Eine ganze Reisegruppe voller Schweden. Und Spanier. Aber das versteht sich ja von selbst.

Gestern war ein schoener Abend mit lecker Essen und dem einen oder anderen Getraenk. Heute morgen startete ich dann zum naechsten Gang nach Zubiri. Um nach dort zu gelangen, musste man den Berg, den wir am Vortag hinauf und teilweise wieder hinunter liefen, noch weiter hinunter laufen. Fakt ist, huegelig tut weh und die Rolling Stones kommen aus Spanien. Die Bergabwege sind alle voll mit Geroell, es ist unglaublich steil, und als ich dachte, jetzt fallen meine Fuesse ab, kam das Schild, dass ich noch fuenf Kilometer vor mir haette.

Zur Erholung gabs aber auch ein paar "kleine" Bergaufgaenge. Ich will Euch nicht langweilen. Es ging bergab und bergauf, es war geroellig und es hat wenig Spass gemacht. Ein guter Tag, um sich selbst und seine koerperlichen Grenzen kennenzulernen. Unglaublich intern merkt man direkt, wie die Muskeln wachsen, sich winden, meckern, die Blasen sich langsam wieder aufschuppern und der Koerper dringend nach etwas Essbarem verlangt...ganz interessant. Solltet Ihr auch mal machen. Morgen biete ich meinen Waden das "Du" an.

Ansonsten stellt Euch einen Tag hier wie folgt vor: Losgehen, einen Radpilger mit einem Santiago-Schild fotografieren. Dem Radpilger einen guten Weg wuenschen und einen guten Weg gewuenscht bekommen, als er schliesslich an einem vorbeifaehrt. Einen Radpilger anlachen, weil ihm der Reisefuehrer vom Rad gefallen ist. Einen guten Weg wuenschen. Aktiv und passiv. Den Radpilger auslachen, der erneut zuruecklaeuft, weil er schon wieder das Buch verloren hat. Ihm vorschlagen, dass er dann doch auch gleich laufen koennte. Einem Radpilger einen guten Weg wuenschen. Laufen. Laufenlaufenlaufen. Die Norwegermaiden treffen und bis zu einer Bar geleiten (zum Fruehstuecken!) nicht hungrig sein und weiterlaufen. Von einem spanischen aelteren Herrn auf meinen Wanderstab angesprochen werden. Den erklaeren. Einem spanischen Ehepaar, welches mir uebersetzt was der alte Herr sagt, auch diesen Wanderstab erklaeren. Ueblicher Smalltalk. Bis Santiago? Ja, guten Weg.

An aelterem Paar um die siebzig vorbeilaufen. Laufenlaufenlaufen. Aus der Wasserflasche trinken. Von dem canadischen Ehepaar ueberholt werden, gruessen, laufenlaufen, das Ehepaar aus Toronto ueberholen, kurz schnacken und laufenlaufenlaufen, von dem eigentlich aus England stammenden Paar, welches nach ihrer Hochzeit vor vielen Jahren nach Canada emigriert ist, ueberholt werden. Man lernt hier mit jedem Schritt seine Mitmenschen kennen.

Sich den Berg hochkaempfen. Von einem recht frisch anmutenden Spanier ueberholt werden, welcher mich angrinst und "Hola Bine" sagt. Oh, das war der eine Teil des spanischen Ehepaares, welchem ich den Wanderstab erklaerte (hier fuer alle: Ein superschoener Wanderstab, Haselnuss glaub ich,  gebaut von meinem Cousin Matthias, oben ist ein GlaubeLiebeHoffnung-Zeichen eingebrannt, weiter unten fuer die Heimat das Hamburgwappen und noch weiter unten stehe ich, also "Bine". Superstock!) Guten Weg wuenschen, weitergehen. Javier und Belem ueberholen, von ihnen ueberholt werden. Als ich nach einer weiteren Steigung langsamer und wackeliger werde und ernsthaft ueber eine Pause nachdenke, stehen sie an der naechsten Ecke wartend und fragen, ob alles gut sei. Ja sagen, dankbar sein, weiterlaufen.

Und dann bergab gehen. Meike, Du erinnerst Dich sicher beim letzten Mal an den Abstieg. Das war Mist. Und heute wars auch Mist. Ich habe in der ersten Albuerge des Ortes eingecheckt  und meine Fuesse ein wenig geschont. Jetyt werde ich nach einer erfrischenden Dusche, ein Picknick und meine Wasserflasche greifen und schauen, was hier sonst noch so rumlaeuft. Wenn ich Glueck habe, finde ich auch noch Blasenpflaster und lauter so Zeug. Und ich werde mir schoene fette Chorizo genehmigen. Mjam.

Ich hoffe, dass der Tag noch viel Freude bringt. Die Sonne scheint, es ist warm und Zubiri scheint ein nettes Oertchen zu sein. Entschuldigt das etwas Wirre, aber wenn man den ganzen Tag gar nix denkt, und dann auf einem Mal an alles denken soll, dann kommt auch alles auf einmal. Vielleicht kann ich mich in einem der naechsten Posts etwas besser strukturieren.

Ole!

Montag, 27. September 2010

Holy Shit!

Wieder einmal in Spanien und wieder einmal muss man sich mit den oertlichen Tastaturen auseinandersetzen. Das "y" wird hier anscheinend doch etwas oefter benutyt.

Ich bin in Roncesvalle. Aber fangen wir doch einmal am Anfang an. Wie Stefan und ich schon auf der Herfahrt im Auto beschlossen: So ein Jakobsweg ist nur "richtig", wenn man die ersten 2000 Kilometer mit dem Auto gefahren ist. Samsag frueh starteten wir hochmotiviert und ohne, dass die Idee des Wanderns auch nur ansatzweise bei uns angekommen waere, durch.

Halt, doch. Durch Stefans tatkraeftige Mithilfe konnte ich bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag typisches Alberguenfeeling geniessen. Denn obwohl er knapp vierzehn Meter entfernt auf der Wohnzimmercouch schnorchelte, wachte ich von dem Schnarchen auf. Hurra. Es leben Schlafsaele.

Auf dem Weg nach Frankreich unterhielten wir uns mit dem typischen BineStefanUnsinn. Mit Stefan unterwegs zu sein, ist schon irgendwie eine Freude. Nur wenige haben ein dauerhaft latentes Beduerfnis, mich zu veraeppeln. Er hat. Also, wir hatten Spass.

In Frankreich war es dann etwas schwer, eine Uebernachtungsmoeglichkeit ausfindig zu machen. In der Naehe von Vichy wurden wir schliesslich spaet in der Nacht fuendig. Das Zimmer war zwar klein, roch schlecht und das Wasser roch noch schlechter, aber es war besser, als im Schlafsack im Kombi zu naechtigen. Und so kamen wir Sonntag nachmittag wohlgestimmt und ausgeruht in Saint-Jean-Pied de Port an.

Und liefen los. Eigentlich ziemlich direkt. Einmal zum Pilgerbuero und dort einen Pilgerausweis besorgen, der nette Herr reservierte uns dann noch eine Schlafmoeglichkeit fuenf Kilometer bergan, und dann liefen wir rumalbernd los. Es hatte sich immer noch nicht so recht zu uns vorgearbeitet, dass wir jetzt tatsaechlich losgehen...

Aber ungeachtet dieser Tatsache taten wir es. Und zwar bergauf. Immer bergauf. Ich kaempfte, Stefan kaempfte noch mehr. Auch wenn ich mir jetzt Lorbeeren anziehe: einzwei Konditionen bin ich ihm voraus.

Die Uebernachtung war ok. Was mich am dritten Tag doch etwas mehr stoerte als sonst, war das Schnarchen. Ja, ich hatte Oropax. Sogar die ganz teuren aus Silikon. Und die sind total scheisse. Man hoert alles. Nur etwas dumpfer. Da kann man sich diese Bloeddinger vollstaendig in die Gehoergaenge pressen, man hoert alles. Ich werde als naechstes versuchen, die Wachsteile zu bekommen...

Fruehstueck gabs in dem Refugium um halb acht. Das sind Fruehaufsteher, die Franzosen...Stefan nicht. Nachdem ich Sonntag und Montag die "Mama" machte und in regelmaessigen Abstaenden "auuuuuufstehen" saeuselte, Ohren kraulte und wartete, hatte ich heute morgen keine Lust mehr. Davon mal ganz abgesehen ging Stefan mein ueberfuersorgliches Gekuemmere bestimmt schon total aufn Sack.

Was heisst "bestimmt". Es ging. So sagte ich dann also heute morgen nach dem zweiten Wecken, dass ich in jedem Fall losgehe, ob mit ihm oder ohne ihm. Und das war sicher eine gute Idee. Ich bin noch etwas schneller und habe tatsaechlich noch ein so leichtes Wettlaufempfinden. Haerterschnellerbesser. Kennt Ihr gar nicht von mir, was? Ich auch nicht.

Also drehte sich Stefan heute morgen noch einmal um und ich machte mich an den wirklich unmenschlichen Aufstieg in den Pyraenaen. Seid Ihr schon einmal vier Stunden am Stueck mit elf Kilo Gepaeck eine Steigung gegangen, bei der Ihr normalerweise nach zehn Minuten sagt: Uiuiui? Stellt Euch das mal vor ueber einen Zeitraum von vier Stunden. Und dann hatte ich noch nicht einmal etwas zu Essen dabei. Nur die Ausdauerlutscher von Sandra, die ich uebrigens alle in meiner Not wegnagelte. Ausdauerlutscher oder tot.
So fuehlte ich mich. Wenn ich vorwaerts ging. Wenn ich mich umdrehte, schaute ich immer auf eine Wahnsinnslandschaft. Sobald ich kann, stelle ich ein paar Fotos ein.

Und jedes Mal dachte ich: Wow, das bist du hochgelaufen. Und jedesmal wollten meine Beine auf der Stelle den Geist aufgeben. Wechselweise war es drecksheiss, dann blies wieder ein irrsinnig kalter Wind. Jacke an, Jacke aus. Und immer Rucksack runter, Rucksack rauf. Rucksack runter, Rucksack rauf. Waewaewaewaewae.

Und ungefaehr achtzig Mal dachte ich: Nee, das hab ich mir so nicht vorgestellt. Weiter habe ich ehrlich gesagt gar nix gedacht. Jedes Mal wenn ich dachte, "das war jetzt der hoechste Punkt", gings um die Ecke noch weiter bergauf. Und dann kam die gleiche Scheisse in runter. Nur viel steiler.

Zum Glueck gab es einen Alternativweg. Zwar vier Kilometer laenger als der fusszerstoerende Weg, aber das war mir der Spass wert. Ich habe trotzdem an beiden Fersen furchbare Blasen (pfffh, ich haette die Stiefel vielleicht doch eher einlaufen sollen nach ein paar Jahren der Nichtnutzung).

Kurz vor Roncesvalle habe ich dann beschlossen, dass ich ueberhaupt keine Lust habe auf einen riesengrossen Schnarchsaal. Googelt mal "Roncesvalle, Scharchsaal, Abtei". Ich hatte die letzten drei Naechte Geschnarche. Heute habe ich mir fuer etwas mehr Geld ein Zimmer in der "Casa Sabina" (passend, nech?) genommen. Um sieben gibts ein Pilgermenue und Stefan habe ich immer noch nicht zu Gesicht bekommen. Ich hoffe, er hat den Aufstieg geschafft und ueberlebt und ist immer noch motiviert.

Der Aermste hat sich naemlich als zusaetzliches Handycap einfallen lassen, dass er Freitag abend mit dem Rauchen aufhoert. Deswegen wohl auch die unglaubliche Muedigkeit jetzt.  Wie gesagt, hoffentlich sehe ich ihn heute noch und muss ihn nicht irgendwo auf dem Pass waehnen...

Ein Fazit a la Kerkeling gibts nicht heute. Wenn, dann heisst es "Aua, heilige Scheisse".

In diesem Sinne: Aua, Buen Camino, die Berge sind geschafft. Ab jetzt kommt der Kindergeburtstag!?

Wir werden sehen.

Freitag, 24. September 2010

`luja sog I

"Herrjeh", "Achgott", "Himmelherrgottsakra", "Jeeeesus", "Achduliebegüte"!!


.... ich muss üben. Einmal fürs Alter, denn leises Vormichhinlamentieren ist etwas, was ich mir für mich als Altbine super vorstellen kann, und ich werde in diesem Jahr immerhin schon vierzig, und zum anderen, weil ich morgen einen neuen Anlauf auf den Jakobsweg nehme, und mich dafür noch  mit dem richtigen Vokabular eindecken muss. Ich kann ja nicht im heiligen Jahr durch Spanien latschen und zu meinen wehen Füßen einfach nur "auaauaaua" sagen. Neinnein, richtiges Pilgerjammern will wohl überlegt sein.

An meinen Erlebnissen auf dem Weg möchte  ich Euch nach alter Manier nach bestem Wissen und Gewissen teilhaben lassen, was ein Grund für dieses neue Blog ist. Der andere Grund ist viel banaler: Ich habe das Kennwort für mein altes Blog vergessen und das Kennwort für die Mailadresse, welche mich mit neuen Kennwörtern versorgen sollte, auch. Alles weg. Heilige Scheisse, das war vielleicht eine Überraschung, herrjehundsoweiter.

Aber man muss loslassen können. Deswegen, Kuehlesblondes, ruhe in Frieden. Wie jede anständige Vergangenheit kann ich Dich weder ändern noch löschen. Warum auch. Du hast mir lange Zeit viel Spaß bereitet. Und herzlich willkommen, etwas älteres Kuehlesmittelblondes, auf dass wir genauso viel Spaß haben werden. In Spanien und sonstwo.