Montag, 27. September 2010

Holy Shit!

Wieder einmal in Spanien und wieder einmal muss man sich mit den oertlichen Tastaturen auseinandersetzen. Das "y" wird hier anscheinend doch etwas oefter benutyt.

Ich bin in Roncesvalle. Aber fangen wir doch einmal am Anfang an. Wie Stefan und ich schon auf der Herfahrt im Auto beschlossen: So ein Jakobsweg ist nur "richtig", wenn man die ersten 2000 Kilometer mit dem Auto gefahren ist. Samsag frueh starteten wir hochmotiviert und ohne, dass die Idee des Wanderns auch nur ansatzweise bei uns angekommen waere, durch.

Halt, doch. Durch Stefans tatkraeftige Mithilfe konnte ich bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag typisches Alberguenfeeling geniessen. Denn obwohl er knapp vierzehn Meter entfernt auf der Wohnzimmercouch schnorchelte, wachte ich von dem Schnarchen auf. Hurra. Es leben Schlafsaele.

Auf dem Weg nach Frankreich unterhielten wir uns mit dem typischen BineStefanUnsinn. Mit Stefan unterwegs zu sein, ist schon irgendwie eine Freude. Nur wenige haben ein dauerhaft latentes Beduerfnis, mich zu veraeppeln. Er hat. Also, wir hatten Spass.

In Frankreich war es dann etwas schwer, eine Uebernachtungsmoeglichkeit ausfindig zu machen. In der Naehe von Vichy wurden wir schliesslich spaet in der Nacht fuendig. Das Zimmer war zwar klein, roch schlecht und das Wasser roch noch schlechter, aber es war besser, als im Schlafsack im Kombi zu naechtigen. Und so kamen wir Sonntag nachmittag wohlgestimmt und ausgeruht in Saint-Jean-Pied de Port an.

Und liefen los. Eigentlich ziemlich direkt. Einmal zum Pilgerbuero und dort einen Pilgerausweis besorgen, der nette Herr reservierte uns dann noch eine Schlafmoeglichkeit fuenf Kilometer bergan, und dann liefen wir rumalbernd los. Es hatte sich immer noch nicht so recht zu uns vorgearbeitet, dass wir jetzt tatsaechlich losgehen...

Aber ungeachtet dieser Tatsache taten wir es. Und zwar bergauf. Immer bergauf. Ich kaempfte, Stefan kaempfte noch mehr. Auch wenn ich mir jetzt Lorbeeren anziehe: einzwei Konditionen bin ich ihm voraus.

Die Uebernachtung war ok. Was mich am dritten Tag doch etwas mehr stoerte als sonst, war das Schnarchen. Ja, ich hatte Oropax. Sogar die ganz teuren aus Silikon. Und die sind total scheisse. Man hoert alles. Nur etwas dumpfer. Da kann man sich diese Bloeddinger vollstaendig in die Gehoergaenge pressen, man hoert alles. Ich werde als naechstes versuchen, die Wachsteile zu bekommen...

Fruehstueck gabs in dem Refugium um halb acht. Das sind Fruehaufsteher, die Franzosen...Stefan nicht. Nachdem ich Sonntag und Montag die "Mama" machte und in regelmaessigen Abstaenden "auuuuuufstehen" saeuselte, Ohren kraulte und wartete, hatte ich heute morgen keine Lust mehr. Davon mal ganz abgesehen ging Stefan mein ueberfuersorgliches Gekuemmere bestimmt schon total aufn Sack.

Was heisst "bestimmt". Es ging. So sagte ich dann also heute morgen nach dem zweiten Wecken, dass ich in jedem Fall losgehe, ob mit ihm oder ohne ihm. Und das war sicher eine gute Idee. Ich bin noch etwas schneller und habe tatsaechlich noch ein so leichtes Wettlaufempfinden. Haerterschnellerbesser. Kennt Ihr gar nicht von mir, was? Ich auch nicht.

Also drehte sich Stefan heute morgen noch einmal um und ich machte mich an den wirklich unmenschlichen Aufstieg in den Pyraenaen. Seid Ihr schon einmal vier Stunden am Stueck mit elf Kilo Gepaeck eine Steigung gegangen, bei der Ihr normalerweise nach zehn Minuten sagt: Uiuiui? Stellt Euch das mal vor ueber einen Zeitraum von vier Stunden. Und dann hatte ich noch nicht einmal etwas zu Essen dabei. Nur die Ausdauerlutscher von Sandra, die ich uebrigens alle in meiner Not wegnagelte. Ausdauerlutscher oder tot.
So fuehlte ich mich. Wenn ich vorwaerts ging. Wenn ich mich umdrehte, schaute ich immer auf eine Wahnsinnslandschaft. Sobald ich kann, stelle ich ein paar Fotos ein.

Und jedes Mal dachte ich: Wow, das bist du hochgelaufen. Und jedesmal wollten meine Beine auf der Stelle den Geist aufgeben. Wechselweise war es drecksheiss, dann blies wieder ein irrsinnig kalter Wind. Jacke an, Jacke aus. Und immer Rucksack runter, Rucksack rauf. Rucksack runter, Rucksack rauf. Waewaewaewaewae.

Und ungefaehr achtzig Mal dachte ich: Nee, das hab ich mir so nicht vorgestellt. Weiter habe ich ehrlich gesagt gar nix gedacht. Jedes Mal wenn ich dachte, "das war jetzt der hoechste Punkt", gings um die Ecke noch weiter bergauf. Und dann kam die gleiche Scheisse in runter. Nur viel steiler.

Zum Glueck gab es einen Alternativweg. Zwar vier Kilometer laenger als der fusszerstoerende Weg, aber das war mir der Spass wert. Ich habe trotzdem an beiden Fersen furchbare Blasen (pfffh, ich haette die Stiefel vielleicht doch eher einlaufen sollen nach ein paar Jahren der Nichtnutzung).

Kurz vor Roncesvalle habe ich dann beschlossen, dass ich ueberhaupt keine Lust habe auf einen riesengrossen Schnarchsaal. Googelt mal "Roncesvalle, Scharchsaal, Abtei". Ich hatte die letzten drei Naechte Geschnarche. Heute habe ich mir fuer etwas mehr Geld ein Zimmer in der "Casa Sabina" (passend, nech?) genommen. Um sieben gibts ein Pilgermenue und Stefan habe ich immer noch nicht zu Gesicht bekommen. Ich hoffe, er hat den Aufstieg geschafft und ueberlebt und ist immer noch motiviert.

Der Aermste hat sich naemlich als zusaetzliches Handycap einfallen lassen, dass er Freitag abend mit dem Rauchen aufhoert. Deswegen wohl auch die unglaubliche Muedigkeit jetzt.  Wie gesagt, hoffentlich sehe ich ihn heute noch und muss ihn nicht irgendwo auf dem Pass waehnen...

Ein Fazit a la Kerkeling gibts nicht heute. Wenn, dann heisst es "Aua, heilige Scheisse".

In diesem Sinne: Aua, Buen Camino, die Berge sind geschafft. Ab jetzt kommt der Kindergeburtstag!?

Wir werden sehen.

4 Kommentare:

  1. wow!!!!
    du hast meinen totalen respekt (und neid^^)
    du schaffst das!!!

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  2. hey bine, alle achtung, klingt heftig das ganze !
    bin gespannt auf weitere berichte,
    halte durch !

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  3. Hey Bine!
    Hut ab, dass du den Schnarcher hast schnarchen lassen und dich allein weiter auf den Weg gemacht hast! Bin stolz auf dich, dass du die fiese 4 Stunden-Ausdauer-Bergauf-Hunger-Strecke geschafft hast. Fühle mich geehrt, dass dir die Ausdauerlutscher den Weg ein wenig versüßt haben ;)
    Weiter so! Und immer schön auf die Füße aufpassen *bemutter* ;)
    Drück dich!

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  4. Bjñrn (das ist das, wo in Deutschland ein "o" ist), dankeschoen. Bis jetzt sieht es so aus, als koennte das mit dem durchhalten funktionieren. :)

    Kay, Glueckwunsch uebrigens. Ich freu mich fuer Euch, dass alles gut gegangen ist.

    Sandra, das waren wirklich die besten Lollies aller Zeiten. Jetzt haette ich gern noch etwas mehr Blasenpflaster und ein Bier bitte.

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