Dienstag, 28. September 2010

Wenns wehtut noch fuenf Kilometer

Zunaechst einmal fuer alle, die sich, ebenso wie ich, um Stefan sorgten: Er ist dann gestern doch noch gegen 18.00 Uhr wohlbehalten und etwas besser gestimmt als sein Zustand es normalerweise zugelassen haette, eingetrudelt. Das ist wohl das Adrenalin gewesen, auf welches ich heute einmal wieder vergeblich wartete.

Wenn jemand noch glaubt, dass der Jakobsweg  ueberschwemmt ist von deutschen Kerkelingpilgern, der irrt. Deutsche traf ich zwar, noch sind sie allerdings deutlich in der Minderheit. Gestern Abend assen wir mit zwei Amerikanern, von denen es hier eine Menge gibt. Ganze Gruppenreisen finden hier statt. Die beiden von gestern, nennen wir sie Jack und Jennifer (weil sie naemlich so heissen), sind um die vierzig und haben in Florida alles verkauft was sie besassen und reisen nun nur noch. Dann waren da Bogdil und Berit aus Norwegen, zwei Frauen um die sechzig bis fuenfundsechzig, recht witzig und genauso trinkfest, wie man es von einem Norweger erwartet. Mit den beiden und einer Pam aus Amerika und einer Sue aus Australien zimmerte ich mir dann gestern noch oertlichen Likoer in die Birne.

Einmal aus Erleichterung "weil" Stefan wieder auftauchte, und zum zweiten aus Notwehr, denn natuerlich bot ich ihm das zweite Bett meines Zimmers im "Casa Sabina" an und nahm damit in Kauf, genau das zu bekommen, was ich mit dieser Extrawurst vermeiden wollte: mit Schnarchern in einem Zimmer zu liegen. Aber was tut man nicht alles fuer Freunde und aus Freude.

Nun gut, Stefan hat tatsaechlich wenig Schlafgeraeusche fabriziert diese Nacht und ich war sowieso leicht angetrunken, Thor und Freya sei Dank.

So, weiter, was laeuft hier noch rum....Canada, ziemlich viel Canada. Italien, Irland, Korea, Japan und natuerlich Spanier. Auch Franzosen. Und Schweden. Eine ganze Reisegruppe voller Schweden. Und Spanier. Aber das versteht sich ja von selbst.

Gestern war ein schoener Abend mit lecker Essen und dem einen oder anderen Getraenk. Heute morgen startete ich dann zum naechsten Gang nach Zubiri. Um nach dort zu gelangen, musste man den Berg, den wir am Vortag hinauf und teilweise wieder hinunter liefen, noch weiter hinunter laufen. Fakt ist, huegelig tut weh und die Rolling Stones kommen aus Spanien. Die Bergabwege sind alle voll mit Geroell, es ist unglaublich steil, und als ich dachte, jetzt fallen meine Fuesse ab, kam das Schild, dass ich noch fuenf Kilometer vor mir haette.

Zur Erholung gabs aber auch ein paar "kleine" Bergaufgaenge. Ich will Euch nicht langweilen. Es ging bergab und bergauf, es war geroellig und es hat wenig Spass gemacht. Ein guter Tag, um sich selbst und seine koerperlichen Grenzen kennenzulernen. Unglaublich intern merkt man direkt, wie die Muskeln wachsen, sich winden, meckern, die Blasen sich langsam wieder aufschuppern und der Koerper dringend nach etwas Essbarem verlangt...ganz interessant. Solltet Ihr auch mal machen. Morgen biete ich meinen Waden das "Du" an.

Ansonsten stellt Euch einen Tag hier wie folgt vor: Losgehen, einen Radpilger mit einem Santiago-Schild fotografieren. Dem Radpilger einen guten Weg wuenschen und einen guten Weg gewuenscht bekommen, als er schliesslich an einem vorbeifaehrt. Einen Radpilger anlachen, weil ihm der Reisefuehrer vom Rad gefallen ist. Einen guten Weg wuenschen. Aktiv und passiv. Den Radpilger auslachen, der erneut zuruecklaeuft, weil er schon wieder das Buch verloren hat. Ihm vorschlagen, dass er dann doch auch gleich laufen koennte. Einem Radpilger einen guten Weg wuenschen. Laufen. Laufenlaufenlaufen. Die Norwegermaiden treffen und bis zu einer Bar geleiten (zum Fruehstuecken!) nicht hungrig sein und weiterlaufen. Von einem spanischen aelteren Herrn auf meinen Wanderstab angesprochen werden. Den erklaeren. Einem spanischen Ehepaar, welches mir uebersetzt was der alte Herr sagt, auch diesen Wanderstab erklaeren. Ueblicher Smalltalk. Bis Santiago? Ja, guten Weg.

An aelterem Paar um die siebzig vorbeilaufen. Laufenlaufenlaufen. Aus der Wasserflasche trinken. Von dem canadischen Ehepaar ueberholt werden, gruessen, laufenlaufen, das Ehepaar aus Toronto ueberholen, kurz schnacken und laufenlaufenlaufen, von dem eigentlich aus England stammenden Paar, welches nach ihrer Hochzeit vor vielen Jahren nach Canada emigriert ist, ueberholt werden. Man lernt hier mit jedem Schritt seine Mitmenschen kennen.

Sich den Berg hochkaempfen. Von einem recht frisch anmutenden Spanier ueberholt werden, welcher mich angrinst und "Hola Bine" sagt. Oh, das war der eine Teil des spanischen Ehepaares, welchem ich den Wanderstab erklaerte (hier fuer alle: Ein superschoener Wanderstab, Haselnuss glaub ich,  gebaut von meinem Cousin Matthias, oben ist ein GlaubeLiebeHoffnung-Zeichen eingebrannt, weiter unten fuer die Heimat das Hamburgwappen und noch weiter unten stehe ich, also "Bine". Superstock!) Guten Weg wuenschen, weitergehen. Javier und Belem ueberholen, von ihnen ueberholt werden. Als ich nach einer weiteren Steigung langsamer und wackeliger werde und ernsthaft ueber eine Pause nachdenke, stehen sie an der naechsten Ecke wartend und fragen, ob alles gut sei. Ja sagen, dankbar sein, weiterlaufen.

Und dann bergab gehen. Meike, Du erinnerst Dich sicher beim letzten Mal an den Abstieg. Das war Mist. Und heute wars auch Mist. Ich habe in der ersten Albuerge des Ortes eingecheckt  und meine Fuesse ein wenig geschont. Jetyt werde ich nach einer erfrischenden Dusche, ein Picknick und meine Wasserflasche greifen und schauen, was hier sonst noch so rumlaeuft. Wenn ich Glueck habe, finde ich auch noch Blasenpflaster und lauter so Zeug. Und ich werde mir schoene fette Chorizo genehmigen. Mjam.

Ich hoffe, dass der Tag noch viel Freude bringt. Die Sonne scheint, es ist warm und Zubiri scheint ein nettes Oertchen zu sein. Entschuldigt das etwas Wirre, aber wenn man den ganzen Tag gar nix denkt, und dann auf einem Mal an alles denken soll, dann kommt auch alles auf einmal. Vielleicht kann ich mich in einem der naechsten Posts etwas besser strukturieren.

Ole!

2 Kommentare:

  1. Du rockst ja den Weg;-) und das ganz allein. Respekt und Neid wandern mit und ich mag es Dir von ganzem Herzen gönnen, was Du erlebst und noch erleben wirst!
    Und wenn ein Satz wahr ist, dann " Bergab ist scheisse"! Ich fühle mit Dir.
    Schönen Abend und wenig Blasen und grüss Deine Waden
    Meike

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  2. Hey Meike, jetzt gehts geradeaus. Und jetzt rate mal, was ich mir wuenschen wuerde. Genau. Bergauf. Immer bergauf. Nie wieder bergab.

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