Freitag, 8. Oktober 2010

Colorado oder so

So denn, es gibt ein Internet und ich habe einen Reisefuehrer zur Hand, so dass ich einigermassen nachvollziehen kann, was in den letzten Tagen alles war. Und wo ich undsoweiter. Zunaechst ein paar bloede Nachrichten: Ich habe meinen Bauchbeutel in einer Albuerge liegenlassen und voellig vergessen, dass da das Kabel drin ist, welches mich dazu befaehigen wuerde, Bilder von meinem Handy auf den Computer zu bringen. Bloed was?

Weiter befand sich in dem Taeschchen mein Pilgerausweis mit den ganzen schoenen Stempeln aus den Pyraenen und, was die Sache am furchtbarsten fuer mich machte, drei von den Sorgensteinen, die ich am Cruz de Ferro fuer Euch ablegen sollte. Da der Herbergsvater der oesterreichischen Herberge nicht gewillt war, das ganze Ding mittels des ebenfalls darin enthaltenen Kleingeldes postlagernd nach Burgos zu schicken, habe ich eine deutsche Pilgerin, die ich dort an das Telefon bekam, gebeten, den Pass und die Steine an sich zu nehmen, die Steine, sollten wir uns nicht ueber den Weg laufen, in meinem Namen am Cruz abzulegen, und mir den Pass zuzuschicken. Es geht also nix verloren, Eure Sorgen bleiben noch erhalten und ich sage Euch nicht, welche Steine ich hier noch bei mir habe.

Am Ende ist alles da wo es sein soll. So wie fast ueberall und immer. Gute Erkenntnis. Nur das Kackkabel ist weg. Ich hoffe einfach mal, dass ich in Burgos oder so etwas derartiges kaufen kann.

Heute sind wir in Belorado angekommen. Nach unserem kleinen Luxustrip in Villatuerta wanderten wir weiter ueber Estella nach Los Arcos. Die Jaqueline, die wir in Villatuerta kennenlernten, entspricht uebrigens ungefaehr der merkwurdigen Roxane, die Meike und ich vor drei Jahren trafen. Ein Mensch, der einen einen vorsichtigen Schritt zurueckgehen laesst. Uns erzaehlte sie, sie kaeme aus England, ein paar Irinnen erzaehlte sie, sie kaeme aus Irland, sprach dann aber mit italienischem Akzent. Unserem Wunderitaliener Alberto gegenueber erzaehlte sie, sie kaeme aus Canada....komische Frau. Ich lass das einfach mal so unkommentiert stehen und versuche weiter herauszufinden, warum sie uns immer weiter verfolgt. Bisher schlief sie seitdem in jeder Herberge, in der wir auch waren.

Nach Villatuerta liefen wir bald an dem legendaeren Kloster Irache vorbei, bei dem der Pilger Rotwein aus einem Zapfhahn trinken kann. Der war jetzt fuer geschenkt gar nicht mal so schlecht. Da es aber ungefaehr zehn Uhr morgens war, als ich da vorbeikam, teilte ich mir nur einen kleinen Schluck aus meinem Wahnsinnsfaltbecher, dem tollsten und genauso beklopptesten Teil, welches ich mir fuer die Fahrt gekauft hatte, mit Birgit und latschte dann fuer mich weiter. Meine Laune an dem Tag war deutlich unter null, auch wenn ich ueberhaupt keine Gruende anfuehren koennte.

So geht das hier aber jeden Tag. Ich habe das Gefuehl, dass ich gar keinen Einfluss nehmen kann auf das was kommt. Meine Stimmung ist meist gut, aber es passierte eben auch schon, dass ich einfach vor mich hinschimpfend und quakend den Tag verbrachte und einmal auch etwas heulig. Launen wie Landschaften wuerd ich mal sagen, die wechseln hier auch staendig. Aber da ich unter anderem den Weg auch gehe, um mal wieder ein wenig mehr in Kontakt mit meinen Emotionen zu kommen und einmal nicht so wahnsinnsrational metablickend agieren moechte, lass ich sowas derzeit einfach laufen. Und das Rudel, welches sich so langsam bildet, ist dafuer sehr geeignet und kann mit einer etwas launischeren Ausgabe von mir gut umgehen. Meistens jedoch bin ich wohlgestimmt ;).

Das Rudel, ok, doch noch was allgemeines zwischendurch. Mittlerweile habe ich mit Stefan einen Schritt gefunden, der uns jeden Abend in die gleiche Herberge bringt. Und  Birgit ist nicht mehr wegzudenken. Seit zwei oder drei Tagen (ich weiss das wirklich nicht mehr, wir fingen sie schlussendlich in Logrono ein), hat Pat(ricia) aus Florida, unsere Seniorin mit 65 Jahren bei uns angeheuert. Theresa aus Chicago und Alberto aus Rom sind sozusagen unsere jungen Hunde. Sie laufen ein wenig fuer sich, schnueffeln hier, schauen da Laemmergeburten zu, besichtigen, pfluecken Beeren und sind unberechenbar. Und abends immer da. Theresa ist ein echtes Engelchen und Alberto ist der Wunderitaliener, der tausend Sprachen spricht. Bislang habe ich Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Franzoesisch und Portugiesisch erkannt, er wird sicher noch ein paar mehr drauf haben.

Auf unserem Klassenkaspartag trafen wir Stefan und Regina aus Koeln, die wir in der naechsten Albuerge fingen und welche bis Viana mit uns liefen. Eigentlich wollten sie in Logrono stoppen und nach Bilbao fahren um nach Hause zu fliegen, da sie aber erst am naechsten Tag fliegen sollten und wir ungern auf ihre Gesellschaft verzichten wollten, ueberredeten wir sie, mit uns zu kommen. Das war super!

Also, nach dem Kloster Irache liefen wir bis Los Arcos durch das Weinanbaugebiet Rioja. Am Nachmittag zogen die Wolken zu und wir bekamen ungefaehr hundert Stundenkilometer Gegenwind mit Regen. Der Nachteil daran, nicht mehr im Gebirge zu sein und etwas weiter als drei Kilometer gucken zu koennen ist, dass man den Ort, den man erreichen moechte auch schon sieht, wenn man noch eine knappe Dreiviertelstunde Latscherei vor sich hat. Das kann auf die letzten Meter unglaublich entnervend sein. Das Gefuehl entspricht ungefaehr dem, wenn man nach Hause kommt und dringend auf Klo muss. Wenn man noch lange vorher ist, kann man Stunden ausharren, wenn man die Haustuer sieht, dann wirds eng. Die Fuesse und Muskeln verabschieden sich in dem Moment, wo sie vermuten, dass es nicht mehr lange dauern kann.

Ab heute werde ich die Augen geschlossen halten und meinen Fuessen immer signalisieren, dass es noch zwanzig Kilometer zu laufen sind.

Also, Birgit und ich stapften um Huegelchen herum, im Regen, immer hoffend, dass das naechste Huegelchen Los Arcos auskalbt. Wir mussten lange warten und waren entsprechend geschafft, als wir endlich in der Herberge ankamen. Unterwegs hatten wir David aus Oesterreich eingenommen, der vor ein paar Monaten vor der Haustuer losging und nun auch einige Zeit mit uns gegen wuerde. Regina und Stefan waren da, so dass wir abends zum Paellaessen (Fertiggericht in einer Bar - huaergh, wenn man sich daran gewoeht hat, dass Stefan oder Birgit kochen, kann das ziemlich eklig sein) ein huebscher Haufen waren. Nachdem ich die Bauchtasche, die ich am naechsten Morgen am Bett haengenlassen sollte, in der Bar vergass und zurueckgehen musste, traf ich unterwegs Theresa, Alberto und Javier, was ein grosses Hallo gab. Ich versprach Theresa, sie morgens aus ihrer Albuerge abzuholen und so waren wir am naechsten Tag erneut bereichert.

Vielleicht komme ich jetzt einiges durcheinander. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, liefen wir von Los Arcos nach Viana. Dort war eine schoene grosse Herberge in einem alten Gemaeuer. Da das Essen am Abend vorher so schlecht war, beschlossen wir wieder zu kochen. Bei genauer Zaehlung derjenigen, die wir bekochen wollten, kamen wir schon auf zehn. Also gabs Chili con Carne. Und da wir wieder Mengen fuer zwanzig kochten, bekamen Schweden (ein Ehepaar) und Barcelona (zwei Freunde von dort) auch noch was ab. Stefan, Bine und Birgit feed the world...

Momentan steht Stefan in der Kueche und baut Hamburger, weil Pat so gerne welche essen wuerde.

Bevor allerdings die Fiesta vorbei war und die Laeden oeffneten, trieben wir uns in der Stadt herum und luchsten ein paar Jungens ihren Fussball ab. Diesen traten wir dann, merkwuerdigerweise motiviert ein wenig durch die Gegend, holten die Jungens dann mit zum Spiel und hatten alles in allem recht viel Freude.

Von Viana ging es dann weiter ueber Logroño nach Najera mit Stefan und Regina aus Koeln, guten, wirklich guten Gespraechen, Doña Maria, der Tochter von Doña Feliza, die jahrelang auf einem Stuhl am Wegrand sass und Feigen, Liebe und einen Stempel fuer den Pilgerpass anbot, was die Tochter jetzt macht und dem Ende in einer furchtbaren franzoesisch gefuehrten Albuerge. Staedtisch, also militaerisch Licht aus um zehn, heisst, ins Bett um halb zehn. Und der Hospitaliero hat das ziemlich energisch nachgehalten. Bei Gelegenheit rege ich mich sicher noch einmal darueber auf, aber jetzt im Moment habe ich da wenig Lust zu und langsam Hunger.

Dort mussten wir uns dann am naechsten Tag von der Koelner Bereicherung verabschieden, die nicht mehr mitlaufen konnten und liefen weiter bis Santo Domingo de la Calzada, wo Stefan und ich bei Pinguinen schliefen. Aber dazu ein naechstes Mal mehr.

Ich bin gesund, die Fuesse tun im Rahmen des Ertraeglichen weh, ich habe tolle Gesellschaft und wir haben wohl bald um und bei 250 Kilometer gelaufen. Das ist doch was.

Buen Appetit.

(Dazu noch kurz: gestern hatte unsere Pat irgendetwas von Whiskey erzaehlt, woraufhin wir sie stumpf abfuellten :)). Auch dazu bald mal mehr. Das war ein lustiger Abend).

2 Kommentare:

  1. Na, vielleicht wollte Dir Roxanne das letzte Mal was mitgeben und Du hast nicht genau bemerkt was, und jetzt musst Du da nochmal durch;-) Das hört sich alles nach mächtig viel Spass an und ich hoffe, Du kannst ganz ordentlich was davon mitnehmen!
    Viele schöne Kilometer noch!
    Meike

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  2. Liebste Bine, wann gibt es mehr ????

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